Die Linke.SDS

Warum Aufstehen gegen Rassismus zentraler Bestandteil unserer Strategie ist

Was ist das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“?

Das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus ist ein Bündnis, dass sich im Kern aus den Gewerkschaften des DGB (insbesondere IG Metall und ver.di), LINKE, SPD und Grüne (zumindest in Teilen), den Parteijugendverbänden der drei Parteien, dem VVN-BdA, Naturfreunden, Attac, IL und VertreterInnen des Zentralrats der Muslime zusammensetzt. Auf lokaler Ebene kommen viele Bürgerinitiativen und lokale Bündnisse aus der Flüchtlingshilfe und der Arbeit gegen Rechts sowie Gliederungen von Religionsverbänden, Stiftungen, Jugend- und Bildungszentren und vielen mehr hinzu. Gerade auf lokaler Ebene schließen sich insbesondere auch viele bislang nicht politisch Aktive oder unorganisierte Leute der Kampagne an. Unter diesem breiten Schirm können sich viele Menschen den Aktivitäten gegen rechte Hetze und Rassismus anschließen und in Aktion mit anderen Menschen kommen.

Das ist eine der großen Stärken des Bündnisses: es ist zu einem Anlaufpunkt für bisher unorganisierte Menschen geworden und konnte über das „übliche Polit-Milieu“ ausgreifen. Dies liegt weniger an einer straffen inhaltlichen Ausrichtung, sondern an dem konkreten Angebot, Material kostenlos zu bestellen, Hilfe beim Gruppenaufbau zu bekommen etc. Allen Menschen, die sich dem Aufstieg der AfD und dem Zuwachs an rechten Parolen in der Gesellschaft entgegenstellen wollen, sind eingeladen sich zu beteiligen. Die knappe jedoch anschauliche Erzählung ist: Lange Zeit waren bestimmte rassistische Parolen und Hetze zwar existent, jedoch nicht salonfähig.„Schmuddelparteien“ wie die NPD wurde  nicht jede zweite Woche in die Talkshow eingeladen, sondern es gab eine Art antifaschistischen Grundkonsens der breiten gesellschaftlichen Mehrheit, die es rechten Parteien schwer gemacht hat Fuß zufassen oder weit auszugreifen. Mit der AfD und der Zuspitzung der letzten Monate ist diese „Schmuddelecke“ aufgebrochen worden. Auf einmal sind rechte Sprüche in Talkshows und in der Presse „sagbar“ und Rechte können sich mehr und mehr radikalisieren. Das ist eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft und im Hinblick auf andere Länder in Europa ist der „Aufstieg der AfD“ kein übertriebenes Schreckensbild der Zukunft. Deshalb lautet das Motto: die rote Linie wieder zu ziehen. Parolen wieder unsagbar zu machen und den Aufschwung rechter Hetze und damit auch rechter Gewalt und rechten Wählerstimmen Einhalt zu gebieten. Es geht explizit nicht darum, platt einen potenziellen AfD-Wähler hinter eine rote Linie stellen zu wollen, sondern die Partei mit ihrem Bild und ihren Parolen. Es geht um eine gesellschaftliche Stimmung, die sich gegen AfD & Co. wendet und deren Hetze diskreditiert und an den Rand drängt.

Die zentralen Kampagnenbausteine sind demnach:

  1. Massenmaterial erstellen und für alle zugänglich machen
  2. Lokale Bündnisse vernetzen, gründen und in gemeinsame Aktion bringen sowie lokale Strukturen aufbauen und deren„Sichtbarkeit“ befördern (Aufstehen-Netzwerk)
  3. Bundesweit Akzente setzen, um punktuell zusammenzukommen und Ausstrahlung zu gewinnen (ein erster Punkt: Demo/Konzert in Berlin am 3. September)
  4. Das StammtischkämpferInnen-Schulungskonzept, Ausbildung von 10.000 Menschen bis zur Wahl 2017

Zum Vorwurf der „fehlenden sozialen Frage“

Die Aktivitäten und die Breite des Bündnisses wurden durch die Einigung auf einen minimalen Konsens erreicht. Dieser ist aus linker Perspektive alles andere als vollständig. Er bietet weder eine ausführliche Rassismusanalyse, noch eine Bandbreite an Forderungen für eine bessere Welt. Das heißt ganz konkret auf den Punkt gebracht: Wir haben keine ausführliche Kritik am Asylpaket formuliert, denn es war klar: dann wäre die SPD nicht dabei gewesen, dann wären die Grünen nicht dabei gewesen und dann wären folglich auch die Gewerkschaften nicht dabei gewesen, deren Großteil insbesondere deren Entscheidungs- und MandatsträgerInnen Teil des sozialdemokratischen oder grünen Spektrums sind. Kurz: unser Ziel war zunächst das breite Bündnis und kein einwandfreier, inhaltlich guter und scharfer Aufruf. Scharfe Aufrufe gibt es zur Genüge, doch wir meinen es braucht mehr. Es gibt momentan das Problem, dass viel geschrieben und gesagt wurde, viel Gutes und Richtiges, doch es mangelt an der Umsetzung.

Ein breites Bündnis braucht seine Zeit bis es halbwegs steht. Auch dieser Prozess verlief nicht ohne interne Debatten. Am Ende zeigt jedoch momentan der Verlauf, dass es funktioniert. Der offene und breite Charakter wirkt inklusiv und ermutigt Leute auf uns zuzukommen.

Vor allem viele junge Leute die sich gerade anfangen zu politisieren, schließen sich diesem Bündnis an. Dabei machen wir häufig die Erfahrung, dass sehr viele von ihnen im Bündnis merken, dass wir (aus dem Umfeld von SDS und LINKE) die besseren AktivistInnen und Inhalte haben. Deshalb sehen wir die Möglichkeit viele neue Leute zu gewinnen. Zudem gelingt es uns über das Bündnis eine sehr gute Vernetzung mit den Gewerkschaften herzustellen, darunter auch viele ehrenamtliche und einfache Gewerkschaftsmitglieder. Dies wird uns ermöglichen die soziale Frage in konkreten Auseinandersetzungen zu stellen. Das ist unserer Ansicht nach ein wichtiger Beitrag zur Verschiebung von Kräfteverhältnissen nach links.

Anders als häufig behauptet wird auch im Bündnis bei konkreten Projekten die soziale Frage thematisiert und auch viele noch unorganisierte Leute damit konfrontiert. Insbesondere in den Gewerkschaften wird von vielen Aktiven damit argumentiert, dass man sich nicht durch Rassismus spalten lassen will um geschlossen der Kapitalseite gegenüber zu treten. Das Wichtige ist, dass die “soziale Frage” und insbesondere ein damit speziell verbundener “Katalog” an “richtigen Antworten”, nicht zur Bedingung gestellt werden, mit uns in Aktion zu treten. Wir schweigen Debatten nicht tot, sondern wir wollen auf der Grundlage gemeinsamer Aktion in Debatten kommen.

Perspektiven der StammtischkämpferInnen

Ein besonderer Fall in diesem Kontext sind die Ausbildungen der StammtischkämpferInnen. Denn genau hier treffen sich die Leute, mit denen die Debatten zu führen sind. Hier spricht ein gewerkschaftlich Organisierter mit einer Flüchtlingshelferin, einer Studentin und einer Linken und kommt ins Gespräch. Gemeinsam wird in den Schulungen erarbeitet, wie man rechten Parolen entgegen tritt. Sobald man tiefer ins Detail geht, kommt man um klassisch “linke” Argumentationen nicht herum. Statt den Teilnehmenden einen Faktenkatalog vorzulegen, den sie unbedingt auswendig lernen sollten (den es online eh schon in verschiedensten Variationen gibt), lebt das Seminar von den Übungen und dem gegenseitigen Empowerment. Man probiert sich aus, gibt sich Feedback und diskutiert zielorientiert an Lösungsansätzen und Gegenstrategien. Und nebenher hat man sechs Stunden lang Zeit andere Aktive kennenzulernen, zu aktivieren und zu ermutigen danach auch aktiver Teil der Kampagne zu sein. Das hat auch eine organisierende Wirkung und bestärkt gemeinsames Handeln – also genau die Aspekte, die Gramsci beim organischen Intellektuellen in den Fokus setzt: gemeinsames Lernen aus Erfahrungen, gemeinsames Handeln und das “Weitergeben” von Erfahrung an andere. Die StammtischkämpferInnen- Schulungen können also zu einem wichtigen Bestandteil linker Hegemoniepolitik werden. Wir haben die Möglichkeit so längerfristig mit Leuten zusammen zu arbeiten und sie von der LINKEN/dem SDS zu überzeugen. In Bremen ist es uns z.B. gelungen durch die StammtischkämpferInnen-Schulungen eine noch bessere Verbindung zu der DGB-Jugend zu schaffen und mit ihnen dann auch in Aktion zum Thema Nebenjobs von Studierenden und zu Diskussionen zu sozialistischem Feminismus zu kommen.

Und nicht nur das: Die Schulungen sind ein gänzlich neues Format und sprechen auch die Menschen an, die noch nicht auf einer Demo waren oder noch nie groß politisch aktiv waren. Wir haben die Chance hunderte von Menschen zu politischer Arbeit zu motivieren und wahrhaftig ein breites Bündnis auf die Beine zu stellen, das fähig ist, dem Aufstieg der Rechten etwas entgegen zu setzen.

Warum der SDS unserer Ansicht nach bei AgR aktiv sein soll

Dem SDS kommt dabei im Kampf gegen die AfD eine wichtige Rolle zu. Denn gerade viele Studis wollen sich engagieren und dem gesellschaftlichen Rechtsruck entgegen treten. Deshalb sollten wir als SDS versuchen, viele von diesen Leuten für uns zu gewinnen und mit ihnen den Kampf gegen die AfD zu führen. In einigen Städten passiert das schon und wir haben dadurch in den letzten zwei Semestern einige neue GenossInnen gewonnen und sind mit ihnen gemeinsam in Aktion gekommen. Aufstehen gegen Rassismus bietet deshalb viele gute Möglichkeiten für uns. Die StammtischkämpferInnen-Schulungen sind eine sehr gute Möglichkeit, unsere GenossInnen in Argumentationsstrategien zu schulen und gleichzeitig linke Inhalte ins Bündnis rein zutragen. Zudem sollten wir die Möglichkeit nutzen, uns über das Bündnis mit den Gewerkschaften und anderen Bündnispartnern zu vernetzten, denn wie wir mal festgehalten haben, sehen wir im Kontakt und Austausch zwischen Studierenden und Gewerkschaften eine der zentralen Aufgaben unseres Studierendenverbands. Deshalb hat unserer Meinung nach das Bündnis viel Potential, um nicht nur den Kampf gegen die AfD zu stärken, sondern auch unsere Organisation.

In diesem gemeinsamen Projekt mit der Linkspartei sehen wir selbstverständlich auch die Aufgabe des SDS darin, linke Inhalte in gemeinsame Aktionen und Schulungen reinzutragen. Darunter verstehen wir aber nicht nur die soziale Frage sondern auch linken Feminismus – eben das Profil des SDS klar zu machen und z.B. auf der Demo gezielt mit diesen Themen zu intervenieren. Ein für den SDS nicht unwichtiger Punkt ist auch, dass “Aufstehen gegen Rassismus” ein gemeinsames Bündnisprojekt von SDS und LINKE ist. Wie auch beim Frauen*kampftag und bei Blockupy können wir hier dazu beitragen die Partei in ihrer Bewegungs- und Kampagnenorientierung zu stärken und Profil zu geben.

Zum Schluss

Klar reicht das alles alleine nicht aus solange es uns nicht gelingt, eine starke Linke aufzubauen, die auch eine klare Oppositionshaltung zu den bestehenden Verhältnissen hat und für einen Aufbruch von Links zu kämpfen. Unsere Erfahrung hat aber deutlich gezeigt, dass Aufstehen gegen Rassismus dem nicht im Weg steht, sondern sogar dabei einen wichtigen Beitrag leistet. Im Großen und Ganzen sehen wir also viel Potential über Aufstehen gegen Rassismus uns und das Lager gegen die AfD zu stärken und den Kampf gegen die AfD und weitere RassistInnen und AntifeministInnen in den Stadtteilen, Unis, Betrieben und weiteren Orten zu führen. Dies gelingt aber nur, wenn Teile von uns aktiv darin mitarbeiten und auch unsere Inhalte in Schulungen und bei konkreten Aktionen reintragen. Deshalb rufen wir unsere GenossInnen in SDS, Linkspartei und Solid dazu auf, StammtischkämpferInnen-Schulungen auch bei sich in den Städten und an den Unis zu organisieren, sich an Aktionen gegen die AfD zu beteiligen und die Möglichkeit zu nutzen, sich darüber mit Gewerkschaften und weiteren Akteuren zu vernetzen. Dadurch kann es gelingen, langfristig antirassistische und feministische Klassenkämpfe an den Unis und darüber hinaus zu stärken.

Ein Beitrag von Daniel Urbach und Ronda Kipka, beide sind im Bundesvorstand des SDS und Unterstützer von Marx 21

Foto von majkiki